Blogartikel zum Thema achtsame Führung, Teilthema Würde im Trennungsgespräch.

Werte und Einstellungen prägen die Kultur eines Unternehmens und beeinflussen menschliches Handeln und Verhalten. Sichtbar wird das etwa an der Art und Weise, wie Vorgesetzte Mitarbeiter*innen kündigen. Im Interview erklärt Peter Höfl, Experte für werteorientiertes Management, warum Würde im Trennungsgespräch unbedingt dazugehört.

Peter, wenn Führungskräfte ein Trennungsgespräch führen, etwa weil sie einem Mitarbeiter kündigen, ist das keine leichte Aufgabe. Wie sollten sie sich darauf vorbereiten?

Trennungen sind selten leicht, dafür immer einzigartig. Im betrieblichen Kontext sprechen wir heute über eine einzige Art von Trennung: die Kündigung durch den Arbeitgeber. Doch es gibt viele weitere Arten von Trennungen – das geht von der Versetzung in eine andere Abteilung, über die Kündigung durch den Mitarbeiter, den Mutterschutz, den Abschluss der Ausbildung, die Pensionierung bis hin zum Tod. Wie mit verschiedenen Trennungsgründen umgegangen wird, lässt Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur(en) zu. Die Mehrzahl deshalb, weil es in Unternehmen meist mehr als eine Kultur gibt. Eine Trennung ist immer ein kritisches Lebensereignis, bei dem am Anfang nicht klar ist, wie es für die beteiligten Akteure ausgeht. Es kann ein gutes Ende nehmen oder in die Krise führen.

Schon wegen der ungewissen Folgen einer Kündigung sollten sich Führungskräfte gründlich vorbereiten. Eine Kündigung ist nichts, was man mal eben schnell zwischen Tür und Angel erledigt. An einer Kündigung hängt weit mehr als nur die Auflösung eines Vertrags. Ich spreche dabei gerne von drei Beziehungsgeflechten: das interne betriebliche Geflecht, das externe betriebliche Geflecht und das externe private Geflecht. Führungskräfte sollten allen eine gewisse Aufmerksamkeit schenken.

Worum geht es bei diesen Beziehungsgeflechten?

Die Beziehungsgeflechte markieren unsere Netzwerke, die wir in unterschiedlichen Räumen bespielen. Das interne betriebliche Geflecht beinhaltet das Verhältnis zu den Kolleg*innen, Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen. Es ist nicht auf die einzelne Betriebsstätte bezogen. Andere Abteilungen, Filialen oder Niederlassungen gehören genauso dazu. Das externe Geflecht umfasst diejenigen Akteure, die mit dem Betrieb in Interaktion stehen, aber nicht Teil davon sind, also etwa Kunden, Lieferanten, Dienstleister oder das Finanzamt.

Zum externen privaten Geflecht zählen Freunde und Bekannte, der Sportverein, der Elternbeirat der Schule usw. Die Akteure in diesen Geflechten können wiederum untereinander in einer Beziehung stehen. So wird klar, warum eine Kündigung mitunter einen „Kommunikationstsunami“ in und zwischen den Geflechten auslösen kann. Kündigende kalkulieren das aber oft nicht ein und öffnen damit der Gerüchteküche oder auch negativer Reputation Tür und Tor.

Du bist der Ansicht, ein Trennungsgespräch sollte mit Würde ablaufen. Was meinst du damit?

Würde bedeutet, dass alle Menschen denselben Wert haben – unabhängig von Herkunft, Alter, Aussehen, Religion, Geschlecht, Taten oder gesellschaftlichem Status. Dieser Wert besteht mindestens von der Geburt bis zum Tode und kann niemandem genommen werden. Das ist jetzt natürlich eine sehr verkürzte Definition und wir wissen alle, dass die Realität sehr oft anders aussieht.

Bezogen auf das Szenario Trennungsgespräch bedeutet das, dass Achtsamkeit für das Gegenüber eine große Rolle für Führungskräfte spielt, die die Kündigungsnachricht überbringen. Er oder sie muss mit allen möglichen Reaktionen der Gekündigten rechnen und diese professionell auf- und abfangen. Die Reaktionen auf diese Nachricht können vom Zusammenbruch bis zur Aggression reichen. Führungskräfte sollten dies wieder in sachliche Bahnen lenken können und nicht weiter eskalieren, etwa durch Schuldzuweisungen. Mir wird oft erzählt, dass Vorgesetzte völlig anders auftreten, wenn sie eine Kündigung aussprechen.

Und zwar, wie?

Sie versuchen eine Konfrontation zu vermeiden. Das kann auf viele Arten geschehen, die aber letztlich alle scheitern. Eine typische Reaktion kann zum Beispiel sein, dass das jahrelange kollegiale Verhältnis innerhalb von Sekunden wieder zu einem streng hierarchischen wird. Dafür gibt es Indizien: Der sonst eher lässig gekleidete Vorgesetze trägt plötzlich einen Anzug. Er vermeidet Blickkontakt und nach dem Gespräch geht man sich aus dem Weg. Ein Trennungsgespräch wird deshalb auch oft am Ende des Tages, der Woche oder vor Feiertagen geführt. Letzteres Szenario ist ein absolutes No-Go, denn bei psychisch labilen Mitarbeiter*innen mit schwach ausgeprägter Resilienz kann man so auf kürzestem Weg depressive Schübe oder sogar Suizidgedanken provozieren. Derartige Konsequenzen sollten Führungskräfte also immer mitdenken.

Was gehört zu einer Kündigung, die die Würde des Gekündigten achtet, unbedingt dazu?

Der Respekt vor der Person. Das fängt bei der Begrüßung an und hört mit der Verabschiedung auf. Mir wird oft erzählt, dass in einem Trennungsgespräch mit direkten Vorgesetzten eine eiskalte Atmosphäre herrscht. Und das, obwohl die Beziehung während der Zusammenarbeit kollegial bis freundschaftlich war. Diese Wendung im persönlichen Umgang verunsichert Gekündigte. Sie werden von der kündigenden Person vom Subjekt zum Objekt degradiert. Damit wird diesem Menschen seine Würde genommen.

Doch das geschieht meist nicht einmal aus Vorsatz, sondern weil Führungskräfte unsicher im Umgang mit der Situation sind und sich einen Panzer der Unnahbarkeit anlegen. Für Gekündigte sieht es aber so aus, als ob sie einen anderen Menschen vor sich hätten. Hier gibt es Potenzial für Missverständnisse, die die zukünftige persönliche Beziehung in eine ungewollte Richtung beeinflussen können.

Von welcher zukünftigen persönlichen Beziehung sprichst du? Der Mitarbeiter beziehungsweise die Mitarbeiterin wurde doch gekündigt.

Die Beziehung zwischen zwei Menschen endet nicht mit einer Kündigung. Es ist ja nicht so, dass man sich nicht mehr kennt, selbst wenn manche so tun als ob. Ich kann die Beziehung eventuell ignorieren, deshalb ist sie aber nicht verschwunden. Die Beziehung bleibt, sie bekommt allerdings eine völlig andere Qualität. Damit kann man jetzt auf unterschiedliche Art und Weise umgehen.

Würde beinhaltet ein Bewusstsein für den eigenen Wert. Wer seinen eigenen Wert kennt, verhält sich selbstmitfühlender als jemand, der ständig hart mit sich ins Gericht geht. Es wird dann womöglich schwer, sich auch gegenüber Mitarbeiter*innen würdevoll zu verhalten, oder?

Dem möchte ich ein wenig widersprechen: Alle Menschen haben eine Würde. Auch, wenn sie ihnen nicht bewusst ist. Diese Würde ist in der Existenz als Mensch begründet und für alle gleich. Aus der Würde lassen sich Menschenrechte ableiten. Ich rate in diesem Zusammenhang zur Vorsicht im Umgang mit dem Begriff Wert. Man wird schnell dazu verleitet, zu bewerten. Dann kommen wir in die Situation, wo wir entscheiden wollen, welcher Mensch im Vergleich zu einem anderen einen größeren Wert hat. Wer besitzt mehr ökonomisches, soziales, kulturelles oder symbolisches Kapital, ist produktiver, hat mehr Potenzial usw.? Gerade das ist mit dem Konzept der Würde nicht gemeint. Dennoch ist es nicht leicht – und das schwingt ein wenig in der Frage mit – diese Würde allen zuzugestehen.

Eine achtsame Führungskraft ist in der Lage, ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Empfindungen in einer bestimmten Situation wahrzunehmen. Was kann sie tun, wenn ihr Zweifel an einer Kündigung kommen?

Das kommt sehr stark auf die Rolle der Führungskraft an. Wenn sie selbst über die Kündigung entscheidet und unsicher ist, dann ist es sinnvoll, sich mit Kolleg*innen, Coaches oder anderen Vertrauenspersonen auszutauschen. Wenn die Führungskraft nur ausführendes Organ für die Entscheidung anderer sein soll, die Zweifel jedoch zu groß sind, dann macht es Sinn, die Kündigung von jemandem aussprechen zu lassen, der diese Zweifel nicht hat.

Du hast zwölf Werte-Fragen zur Kündigung entwickelt. Worum geht es dabei?

Vielfach ist die Person, die das Trennungsgespräch führt, nicht identisch mit derjenigen, die die Entscheidung getroffen hat. Denken wir etwa an einen größeren Konzern, in dem vom Vorstand beschlossen wurde, einen Standort oder einen Bereich zu schließen oder zu verlagern. Die Kündigungen werden irgendwo in einer Zentrale vorbereitet und die Führungskräfte vor Ort dürfen die Botschaft überbringen, sind vielleicht sogar selbst davon betroffen. Die Werte-Fragen dienen der Selbstüberprüfung, ob man die Entscheidung nachvollziehen und überzeugend vermitteln kann.

Warum ist das wichtig?

Weil die Führungskraft diejenige ist, die die Gekündigten auf kürzestem Weg in eine Lebenskrise schicken kann. Die zwölf Fragen dienen dem Selbstschutz des Kündigenden. Nur wenn man die Entscheidung auch mittragen kann, ist es möglich, halbwegs unbeschadet aus dem Gespräch zu gehen. Dabei geht es bei den Fragen nicht um feste Antworten oder „ja“ und „nein“. Jede Kündigung ist anders. Die Fragen sollen darauf aufmerksam machen, dass sie gestellt werden wollen. Wie die Antworten dann einzuordnen sind, ist Sache des Kündigenden. Es geht darum, von Seiten des Unternehmens mit fairen und offenen Karten zu spielen. Passiert das nicht, sollten die Kündigungen auch diejenigen aussprechen, die sie verargumentieren. Es geht hier auch sehr stark um Haltung.

Eine der Werte-Fragen lautet: „Hat der/die Kündigende sein/ihr Gewissen befragt und ein Okay erhalten?” Warum ist das von Bedeutung?

Wegen der psychischen Hygiene des Kündigenden. Wir nehmen dabei an, dass unser Gewissen die ultimative Instanz ist, um unser Handeln in moralische Bahnen von Gut und Böse zu lenken. Wenn das Gewissen Ambivalenzen und Widersprüche aushält und eine Entscheidung für gerechtfertigt hält, dann habe ich als kündigende Person sozusagen eine innere Absolution erhalten. Dadurch kann ich mich vom psychischen Druck mehr oder weniger stark lösen. Die Entscheidung, die getroffen wurde, ist unter den gegebenen Umständen richtig – oder zumindest begründet notwendig. Diese positive Gewissensentscheidung trägt dazu bei, dass die Kündigung für die kündigende Führungskraft nicht zu einem kritischen Lebensereignis wird, das zur Krise führen kann.

Apropos: Inwiefern ist ein Kündigungsgespräch auch für die kündigende Führungskraft selbst kritisch?

Je empathischer eine Führungskraft ist, je länger und intensiver eine Zusammenarbeit war, desto mehr kann ihr eine Kündigung an die Nieren gehen. Wir sprachen ja am Anfang über verschiedene Beziehungsgeflechte. Diese Geflechte sind es auch, die zu kritischen Konflikten führen können. Denken wir nur einmal daran, dass Kündigende und Gekündigte im selben Dorf leben. Man trifft sich regelmäßig beim Bäcker, die Kinder sind in der Schule in der gleichen Klasse oder man ist Mitglied im selben Sportverein. Da überwindet ein Kündigungskonflikt ganz schnell die Grenzen der Betriebsstätte.

Wie kann er oder sie als kündigende Führungskraft gut für sich sorgen?

Nach einem Trennungsgespräch beziehungsweise Kündigungsgespräch sollte mit dem Zeugen immer eine Reflexion des Gesprächs erfolgen. Danach ist Zeit für Pause und Regeneration. Dabei hat jeder Mensch seine eigenen Vorstellungen, solche belastenden Ereignisse zu verarbeiten. Ob durch Sport, Yoga oder Meditation, ein Spaziergang in der Natur oder Unterstützung durch externe Personen, wie Freunde oder Coaches. Unklug wäre es allerdings, die mentalen und psychischen Belastungen zu ignorieren.

Im Zweifel ist es ratsam und vollkommen legitim, sich professionelle Hilfe zu holen – gerade wenn man selbst zu depressiven Stimmungen neigt oder schon kurz vor dem Burnout steht. Im Umkehrschluss hilft es also nicht weiter, sich nach dem Aussprechen der Kündigung sofort wieder in die Arbeit zu stürzen. Geschweige denn, sich mit Alkohol oder anderen Drogen zu betäuben oder mit 240 über die Autobahn zu brettern.

Zum Schluss noch ein Tipp. Ob eine Kündigung in Würde ablief, lässt sich ganz einfach feststellen: Wenn sich die kündigende Führungskraft und der oder die Gekündigte auf der Straße begegnen und keiner von beiden den Impuls verspürt, die Straßenseite zu wechseln, dann ist beim Trennungsgespräch wohl einiges richtig gelaufen.

Peter, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Der Experte

Peter Höfl, Experte für werteorientiertes Management, zum Thema Würde im Trennungsgespräch.

Peter Höfl liefert eine andere Perspektive auf ein Kündigungs- beziehungsweise Trennungsgespräch. Als freier Berater und Autor widmet er sich den Themen betriebliche Trennungs-, Unternehmens- und Servicekultur. Taxifahrer, Zeitsoldat, Teamleiter, Geschäftsführer einer GmbH und Vice-President einer börsennotierten AG – so sieht Höfls bisheriger Werdegang aus. Studiert hat er Europäische Ethnologie, Caritaswissenschaft und werteorientiertes Management. Du findest ihn unter peter-hoefl.de.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare