Achtsame Führung im Mitarbeitergespräch mit einer wohlwollenden Haltung

Wohlwollen in der Führungspraxis ist kein „weiches Extra“ oder ein „Kuschelkurs“. Es ist eine Form emotionaler Intelligenz, die sich direkt auf die Motivation, die Mitarbeiterbindung und das Klima in Teams auswirkt. Achtsame Führung schließt Wohlwollen mit ein.

Wohlwollen in der Führung bedeutet, Menschen – einschließlich sich selbst – mit einer Grundhaltung von Freundlichkeit, Verständnis und ehrlichem Interesse zu begegnen. Es ist die Haltung:

„Ich sehe dich als Mensch, nicht als Rädchen im Getriebe.“

Wohlwollen ist mehr als Nettigkeit. Es bedeutet auch nicht, alles zu akzeptieren oder Konflikte zu vermeiden. Wohlwollen beschreibt eine Grundhaltung, die den Menschen im Blick behält – auch dann, wenn es Konflikte gibt. Eine wohlwollende Führungskraft betrachtet Mitarbeiter*innen deshalb nicht zuerst durch die Brille ihrer Leistung und Ergebnisse, sondern erkennt den Menschen hinter der Rolle des Mitarbeiters beziehungsweise der Mitarbeiterin: Ein Mensch mit Stärken, Bedürfnissen und Grenzen.

Diese Sichtweise schafft ein Klima, in dem Engagement und Vertrauen wachsen können. Wohlwollen bedeutet, selbst in schwierigen Momenten eine wertschätzende Grundausrichtung zu bewahren, die zwischen Person und Verhalten unterscheidet.

Was Wohlwollen im Kontext achtsamer Führung in der konkreten Führungspraxis meint, verdeutliche ich an vier Beispielen:

1. Den Menschen sehen, nicht nur das Ergebnis

Führung erfordert Ergebnisorientierung, doch wer ausschließlich auf Ziele, Zahlen und KPIs schaut, verliert leicht den Kontakt zu den Menschen, die diese Ergebnisse ermöglichen. Wohlwollen bedeutet, im Blick zu behalten, wie Ergebnisse entstehen:

  • Mit welchem Einsatz?
  • Unter welchen Bedingungen?
  • Mit welcher Belastung?

Beispiel: Eine Mitarbeiterin liefert eine nicht überzeugende Präsentation ab. Eine mögliche unachtsame Reaktion könnte sein:

„Das war nicht gut genug. Überarbeiten Sie das bitte bis morgen!“

Eine wohlwollende Reaktion prüft zunächst: Was hätte die Mitarbeiterin gebraucht, um besser arbeiten zu können? Vielleicht eine klarere Anforderung, Feedback, mehr Unterstützung oder schlicht mehr Zeit?

Dann folgt eine Rückmeldung, die zweierlei beinhaltet: Erstens den Anspruch der Führungskraft, zu einem guten Ergebnis zu kommen, und zweitens ein respektvolles Verhalten gegenüber der Mitarbeiterin. Eine angemessene Reaktion könnte deshalb sein:

„Es ist wichtig, dass Sie die Präsentation gut hinbekommen, und ich sehe, dass Sie sich Mühe gegeben haben. Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wo noch Präzisierung nötig ist.“

2. Feedback als Förderung, nicht als Bewertung verstehen

Wohlwollen verändert die Qualität von Feedback. Es geht nicht darum, jemanden „richtigzustellen“, sondern zu unterstützen, dass er oder sie wachsen kann. Ein wohlwollendes Feedback ist ehrlich, aber nie entwertend. Es spricht Verhalten an, nicht aber den Wert einer Person an sich.

Wertendes Feedback:

„Sie sind in Besprechungen immer so unstrukturiert.“

Die Wörter „sind” und „immer” suggerieren, dass der Mitarbeiter im Grunde nichts richtig machen kann. Er wird auf sein Verhalten fixiert (Sie „sind” so und so…). Diese Formulierung lässt also keine Entwicklung zu. Eine wohlwollende Reaktion könnte stattdessen lauten:

„Mir ist aufgefallen, dass Ihre Beiträge manchmal etwas sprunghaft wirken. Vielleicht könnten wir gemeinsam überlegen, wie Sie Ihre Punkte klarer strukturieren können – Ihr Input ist nämlich wertvoll.“

Mit dieser Formulierung äußert die Führungskraft ihre eigene Wahrnehmung, ohne direkt eine Bewertung oder Beurteilung abzugeben („Mir ist aufgefallen…”). Gleichzeitig gibt sie zu verstehen, dass sie das grundsätzliche Potenzial des Mitarbeiters erkennt. Damit drückt sie das Vertrauen in ihn aus, dass Entwicklung möglich ist.

Infografik zu Mindful Leadership
Quelle: acquisa

3. Grenzen setzen ohne Härte

Achtsame Führung ist keine „weiche“ Führung. Wohlwollen schließt Konsequenz ein – aber ohne Abwertung. Grenzen werden nicht als Strafe, sondern als Orientierung vermittelt.

Beispiel: Ein Mitarbeiter kommt wiederholt zu spät oder hält Zusagen nicht ein.

Wohlwollen bedeutet nicht, das zu übersehen, sondern das Gespräch zu suchen. Respektvoll, aber klar:

„Mir ist wichtig, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Ich möchte verstehen, was im Moment dazu führt, dass das nicht klappt.“

Bei dieser Form der Ansprache geht es um Verantwortung und Beziehung. Wohlwollen bedeutet, darauf zu achten, dass die Würde der Mitarbeiter*innen auch in herausfordernden Gesprächen gewahrt bleibt.

4. Potenzial auch in schwierigen Momenten erkennen

Achtsame Führung erkennt, dass ein konkretes Verhalten immer Ausdruck eines Zustands in einer bestimmten Situation ist. Es bedeutet nicht, dass der oder die Andere so ist. Führungskräfte, die sich wohlwollend verhalten, blicken über die Situation hinaus:

Was braucht der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin, um wieder in seine/ihre Stärke zu kommen?

Beispiel: Ein Mitarbeiter reagiert ungewohnt gereizt.

Eine wohlwollende Führungskraft fragt sich: Was steckt dahinter? Vielleicht Überforderung, Unsicherheit oder eine andere persönliche Belastung? Sie reagiert nicht sofort mit Sanktionen, sondern sucht das Gespräch – aus echtem Interesse. Diese Haltung stärkt langfristig die Loyalität ihr gegenüber sowie das Vertrauen in sie.

Wohlwollen fokussiert auf die gemeinsame Menschlichkeit

Wohlwollen in der Führungspraxis ist kein „weiches Extra“. Es ist eine Form emotionaler Intelligenz, die sich unmittelbar auf die Motivation, die Mitarbeiterbindung und das Klima in Teams auswirkt. Die Mitarbeiter*innen fühlen sich gesehen und verstanden, weshalb sie engagierter sind und eher Verantwortung übernehmen.

Wer wohlwollend führt, für den oder die zählt Ablehnung oder Abwertung nicht zum Verhaltensrepertoire. Es geht darum, den Menschen hinter seiner beziehungsweise ihrer Rolle als Mitarbeiter/Mitarbeiterin zu sehen. Denn ob Mitarbeiter*in oder Führungskraft: Es sind letztlich nur Rollen, die wir ausfüllen.

Wohlwollen ist demnach eine Grundhaltung, die auf das Wohl anderer Menschen gerichtet ist. Auf Freude und Wohlbefinden, auch und gerade bei der Arbeit. Achtsame Führung erkennt an, dass Arbeit Freude machen darf. Dass Freude am Tun die Motivation erhöht und zu besseren Ergebnissen führt.

In unserer westlichen Welt, die in vielen Bereichen eher auf Trennung statt auf Verbindung ausgerichtet ist, läuft der Begriff deshalb Gefahr, mit einem „Kuschelkurs“ in Verbindung gebracht oder gar gleichgesetzt zu werden. Führungskräfte seien schließlich nicht dafür da, Mitarbeiter*innen zu verhätscheln.

Eine solche Sichtweise missversteht die Bedeutung von Wohlwollen. Wohlwollen meint keine grenzenlose Zustimmung oder permanente Nachsicht. Es meint die Anerkennung der gemeinsamen Menschlichkeit – auch und gerade in herausfordernden Situationen. Achtsame Führungskräfte richten ihr Verhalten und Handeln entsprechend danach aus.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare