Es gibt Gedanken, die früher oder später Stress provozieren. Warum? Weil wir ihretwegen bestimmte Gefühle entwickeln. Ihretwegen verhalten wir uns auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Erfahre hier, welche Gedanken das sind.
Hoher Leistungs- und Zeitdruck, immer mehr Projektarbeit, ein Tag voller Meetings, kontrollierende Vorgesetzte, die nicht loslassen können, fehlende Anerkennung oder häufige Veränderungen. Dazu gefühlt viel zu wenig Zeit, um all die Aufgaben zu erledigen. Die Liste von Stress erzeugenden Umständen am Arbeitsplatz ist lang. Die gesundheitsgefährdenden Folgen dieser sogenannten Stressoren, die von außen kommen, sind hinreichend bekannt.
Gedanken können Stress auslösen und verstärken
Doch es gibt auch eine andere Quelle, die uns ganz schön unter Stress setzen kann. Sie entspringt in uns selbst. Es sind unsere persönlichen Motive, Einstellungen und Bewertungen. Oft machen sie uns das Leben schwer, wenn wir uns zum Beispiel im gedanklichen Kreis drehen, im berühmten Gedankenkarussell, das nicht aufhören mag sich zu drehen. Die Psychologie spricht dabei von Kognitionen. Mentale Prozesse und Strukturen, die höchst individuell sind. Dazu zählen zum Beispiel:
- Wahrnehmung
- Gedanken
- Meinungen
- Erinnerungen
- Einstellungen
- Wünsche
- Absichten
- Bewertungen
- Analysen
Diese Kognitionen haben einen Einfluss auf unser Verhalten, unsere Gefühle und diese wiederum auf unser körperliches Empfinden. Du erkennst schon jetzt: So, wie du eine Situation, einen anderen Menschen oder, ganz allgemein gesprochen, die Welt und das Leben wahrnimmst, wie du darüber denkst, hat einen unmittelbaren Einfluss auf dein Wohlbefinden und deine Gesundheit.
Diese sogenannten inneren Stressoren können zum Beispiel so aussehen:
- Hohe Ansprüche an sich selbst
- Perfektionismus
- Angst vor Fehlern
- Keine Ziele
- Existenzangst
Wie du also mit einer bestimmten Situation umgehst, wie du darauf reagierst, hängt davon ab, wie du über die Situation denkst. Wie du sie wahrnimmst und beurteilst. Während dir vielleicht morgens bei der roten Ampel im Berufsverkehr regelmäßig die Hutschnur reißt, nehmen andere diese Situation gelassen hin. Du siehst: Nicht die rote Ampel ist es, die Stress bei dir auslöst, sondern deine Einstellung, deine Gedanken dazu.
Stress entsteht oft aus gelernten und nicht überprüften Gedanken
Stress entsteht oft aus gelernten Gedanken. Es sind Konditionierungen, die wir seit unserer Kindheit in uns tragen. Abgeschaut haben wir sie uns von unseren Eltern, Freunden, dem sozialen Umfeld oder anderen Menschen, die in irgendeiner Weise Einfluss auf uns hatten. In den meisten Fällen jedoch haben wir diese Gedanken nie auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Wir nehmen einfach unbewusst an, dass sie richtig sind.
Der Psychoanalytiker und Philosoph Albert Ellis betont in seiner Rational-Emotiven Therapie (RET) die Bedeutung bestimmter grundlegender Bewertungsmuster. Wie sein Philosophen-Kollege Epiktet aus der Antike geht Ellis davon aus, dass Menschen nicht durch Dinge oder Erlebnisse beeinflusst beziehungsweise negativ geprägt werden, sondern durch ihre Art, die Dinge und Erlebnisse zu betrachten. Entsprechend ging er von folgenden Prinzipien aus:
- Gedanken und Ideen sind kraftvoll und bedeutsam.
- Menschen entwickeln Hypothesen über die sie umgebende Welt. Diese sollten aber nicht einfach als wahr oder hilfreich angenommen, sondern vielmehr hinterfragt und „getestet” werden.
- Jeder Mensch hat die (wenn auch nicht uneingeschränkte) Kraft beziehungsweise Möglichkeit, sich zu entscheiden, wie er sein Leben gestalten und mit seinen Gefühlen umgehen möchte.
- Ein Mensch ist das Zentrum seines, aber nicht des Universums.
Was Ellis hier mit „Test” der über die Welt und das Leben entwickelten eigenen Hypothesen meint, zielt meiner Ansicht nach auf die eigene Erfahrung ab. Nichts ist so wertvoll wie eigene Erfahrungen, mögen sie nun positiv oder negativ sein. Und wie du wahrscheinlich weißt oder vielleicht schon selbst „erfahren” hast, dienen uns gerade die schmerzhaften Erfahrungen als guter Lehrmeister für unsere weitere Entwicklung. Vorausgesetzt natürlich, wir sind bereit, dies auch anzuerkennen und zuzulassen.
Die 11 am weitesten verbreiteten irrationalen Gedanken
Albert Ellis’ Ansatz lautet: Menschen sind dann glücklich, wenn sie sich aktiv mit dem Erreichen ihrer Lebensziele auseinandersetzen und selbstständig daran arbeiten können. Alles, was sie vom Erreichen dieser Ziele abhält, bezeichnet er als „irrational”.
Was du wissen solltest: Mit „irrational” ist hier nicht gemeint, ob ein Gedanke logisch ist. Es geht darum, welchen Sinn ein bestimmter Gedanken für jemanden hat und ob er dabei unterstützt, sich so zu fühlen und zu verhalten, wie es den eigenen Zielen entspricht!
Ein Beispiel: Du möchtest gleich am Morgen eine wichtige E-Mail an einen Kunden schreiben, brauchst dafür aber noch Informationen deines Kollegen. (Ziel). Leider stellst du fest, dass er mit anderen Dingen beschäftigt ist und gerade keine Zeit für dich hat.
In diesem Fall kannst du etwa folgende Gedanken denken:
1. „Jedes Mal, wenn ich ihn brauche, hat er keine Zeit. Er hat kein Interesse daran, mich zu unterstützen.” (Nicht zielführend, also irrational)
Oder:
2. „Sicher hat auch er gerade wichtige Dinge zu erledigen. Ich spreche ihn einfach später noch einmal darauf an oder frage ihn, wann ein günstiger Zeitpunkt dafür ist.” (Zielführend, also rational)
Was passiert, wenn du Gedanke Nummer eins denkst? Wahrscheinlich wirst du dich nicht wohl damit fühlen. Der Gedanke provoziert also negative Gefühle, wie zum Beispiel Wut. Entsprechend fällt dein Verhalten aus: Du reagierst verärgert und abweisend und provozierst vielleicht sogar einen Konflikt mit dem Kollegen.
Was hier abläuft, ist ein Reiz-Reaktionsmuster. Ein Ereignis beziehungsweise Reiz (der Kollege hat keine Zeit für dich) löst bestimmte Gefühle und ein bestimmtes Verhalten aus (Ärger, Wut, Abwendung, Streit). Zwischen Reiz und Reaktion liegt aber die entscheidende Stufe: deine Überzeugungen. Diese Überzeugungen, also gelernte, nicht überprüfte Hypothesen und Kognitionen (siehe oben), sind in Wahrheit für deine Reaktionen verantwortlich.
Hier nun die elf am weitesten verbreiteten irrationalen Gedanken. Lies sie dir in Ruhe durch und nimm dir Zeit, den einen oder anderen Gedanken intensiver zu reflektieren. Kommt er dir vielleicht bekannt vor?
1. Für jeden Erwachsenen ist es notwendig, von fast jeder wichtigen Bezugsperson gemocht oder geliebt zu werden.
2. Man kann sich nur dann als wertvoll empfinden, wenn man in jeder Hinsicht kompetent, tüchtig und leistungsfähig ist.
3. Bestimmte Menschen sind böse, schlecht und verdorben; man muss ihnen Vorwürfe machen und sie streng bestrafen.
4. Es ist schrecklich, wenn die Dinge nicht so sind, wie man sie gerne hätte.
5. Menschliches Leiden ist durch äußere Umstände bedingt; der Mensch hat kaum oder gar nicht die Fähigkeit, seine Sorgen und seine psychischen Probleme zu beeinflussen.
6. Man muss sich über tatsächliche oder eingebildete Gefahren große Sorgen machen und ständig über das mögliche Eintreten grübeln.
7. Es ist leichter, Schwierigkeiten und Verantwortung zu vermeiden als sich ihnen zu stellen.
8. Man ist von anderen abhängig und braucht einen stärkeren Menschen, auf den man sich stützen kann.
9. Die eigene Vergangenheit ist für das gegenwärtige Verhalten verantwortlich; das, was früher einmal unser Leben beeinflusste, tut dies auch weiterhin.
10. Probleme und Verhaltensschwierigkeiten anderer Menschen bringen einen ganz aus der Fassung.
11. Für jedes menschliche Problem gibt es ganz sicher eine richtige, perfekte Lösung; es ist katastrophal, wenn diese perfekte Lösung nicht gefunden wird.
Wie dir Achtsamkeit und Meditation beim Umgang mit „schwierigen” Gedanken helfen können, lernst du im Seminar „Innere Gelassenheit lernen”.