„Praktiziere positives Denken und die Dinge lösen sich von selbst!” Diese Einstellung habe ich schon immer kritisch hinterfragt. Positives Denken bewirkt meiner Ansicht nach keine wirkliche Entwicklung. Warum, erläutere ich in diesem Artikel.
Freitag, der 13. Ein Tag, der bei vielen Abergläubischen als der Unglückstag schlechthin gilt. Sie glauben, es werde irgendetwas Schlimmes passieren, weshalb sie vorsichtig sind und sich vielleicht sogar sozial isolieren. Sie glauben das. Und weil sie es glauben, haben sie die dazu passenden Gedanken. Im Blog habe ich mittlerweile über die Macht und Rolle von Gedanken in unserem Leben geschrieben. Der Grundstein, wie und was wir über eine Situation, über andere Menschen, über die Welt, das Leben und letztlich über uns selbst denken, wird bereits früh in unserem Leben gelegt. Es beginnt im Elternhaus mit entsprechenden Konditionierungen und Programmierungen, die uns nicht bewusst sind. Wir übernehmen sie ungefragt. Ein paar Beispiele:
- Es ist schlecht, wenn es regnet.
- Ohne Abitur wird man es im Leben zu nichts bringen.
- Der Mann muss das Geld verdienen und die Frau sich um den Haushalt kümmern.
- Ein „echter” Mann hat seine Gefühle unter Kontrolle.
- Freitag, der 13., bringt Unglück.
Würden wir solche gelernten Glaubenssätze kritisch hinterfragen, kämen wir womöglich zu ganz anderen Ergebnissen. Vielleicht hat Regen ja auch etwas Faszinierendes? Muss man unbedingt Abitur machen oder ist man auch mit einer praktischen Ausbildung eine gestandene Persönlichkeit? Usw.
Unbewusste Gedanken über uns selbst
Im Laufe unseres Lebens kommen dann Prägungen des sozialen Umfeldes (Freunde, Lehrer, Kolleg*innen usw.) hinzu. Es sind im Prinzip alles Geschichten über das Leben oder wie das Leben funktioniert, die wir für wahr und richtig halten. Und es sind Geschichten über uns selbst. Irgendwann werden sie zu unseren eigenen Geschichten, die wir uns erzählen. Ganz automatisch. Besonders belastend und leidvoll kann es sein, wenn wir falsch über uns selbst denken beziehungsweise die falschen Dinge über uns selbst glauben.
- „Ich sollte so und so sein.”
- „Ich kann das nicht, weil…”
- „Das werde ich nie schaffen.”
- „Hätten mir meine Eltern doch das und das ermöglicht.”
- „Wenn ich selbst kündige, bin ich unattraktiv für neue Arbeitgeber.”
Solange wir uns nicht bewusst sind, dass es sich dabei „nur” um unhinterfragte, unbewusste Glaubensmuster handelt, erlauben wir ihnen zu schalten und zu walten, wie sie wollen. Sie bestimmen dann unbewusst unser Leben.
Ich habe das Wörtchen „nur” deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil es sehr belastend ist, mit solchen Denkmustern über sich selbst durchs Leben zu gehen. Sie blockieren uns immer wieder in den unterschiedlichsten Situationen. Diese Glaubenssätze und falschen Prägungen zu überwinden ist keine leichte Sache. Es ist ein langer Prozess hin zu einer persönlichen Entwicklung, an deren Ende die Befreiung aus diesen Mustern steht. Am Ende steht die Veränderung, deren Baumeister du selbst sein kannst.
Es ist aber beileibe nicht etwas, das auf Knopfdruck gelingt! Was sich über sehr lange Zeit eingeübt hat, wird nicht von heute auf morgen anders. Positives Denken ist etwas, das uns – meiner Überzeugung nach – genau dies versucht zu vermitteln.
„Denke einfach positiv und die Dinge lösen sich von selbst!”
Diesen Ansatz habe ich schon immer kritisch hinterfragt. Ich stelle mir dann folgendes Bild vor: Ein Mensch mit all seinen belastenden und blockierenden Glaubenssätzen und Gedanken steht vor dem Spiegel, lächelt sich selbst an und sagt: „Ab heute denke ich nur noch positiv.” Eine schöne Vorstellung. Aber kann das funktionieren? Ich meine, nein.
Positives Denken führt in die falsche Richtung
Wie ich oben gezeigt habe, spielen sich belastende Gedanken und Glaubensmuster über eine lange Zeit ein. Sie werden zur Normalität. Ohne dass wir uns dieser Muster bewusst werden, kann es nicht zu einer grundlegenden Veränderung im eigenen Denken kommen. Es geht also zunächst darum zu erkennen, wie man über etwas und sich selbst denkt. Das ist der erste, wichtige Schritt auf dem Weg zu einer Veränderung.
Der nächste Schritt ist nicht weniger bedeutsam: Ich akzeptiere, dass ich diese belastenden Gedanken habe. Ich nehme diese Gedanken als ein Teil von mir an und lasse sie da sein.
„Hey, ihr Gedanken! Ich sehe euch. Ihr seid ein Teil von mir. Aber ihr seid nicht ich. Ihr seid nur Gedanken.”
Warum ist das wichtig? Weil ich dadurch in eine wohlwollende Haltung mir selbst gegenüber komme. Ich bin mitfühlend mit mir selbst und versuche diese Gedanken nicht wegzuschieben oder zu verdrängen. Auch dann nicht, wenn ich erkannt habe, dass sie mir nicht guttun. Durch diese Akzeptanz nehme ich ihnen schon einen Großteil ihrer Kraft.
Denke ich stattdessen (künstlich) positiv, besteht die Gefahr, diese Gedanken nicht sehen zu wollen. Ich versuche sie zu ignorieren.
„Ab jetzt nur noch positiv denken. Komme, was wolle!”
Damit vernachlässige ich aber den Anteil in mir, der auch gesehen werden will. Der im Grund gesehen werden muss, um transformiert werden zu können! Das Gleiche kannst du auf unangenehme Gefühle anwenden, die genauso gesehen, akzeptiert und gefühlt werden wollen, um sie letztlich aufzulösen.
Positives Denken ist deshalb meiner Ansicht nach für eine grundlegende Transformation der eigenen, konditionierten, über lange Sicht programmierten Gedankenmuster und Glaubenssätze nicht geeignet. Es ignoriert die innere Arbeit, die dafür notwendig ist. Diese beginnt mit der Erkenntnis, mit dem Bewusstsein, dass unbewusste Gedanken ein Teil von dir sind. Was im besten Fall folgt, ist ein regelmäßiges Training im Alltag:
- Du erkennst und beobachtest deine Gedanken in einer bestimmten Situation.
- Du akzeptierst diese Gedanken als ein Teil von dir, ohne dich mit ihnen zu identifizieren.
- Du machst dir bewusst, dass diese Gedanken nicht stimmen müssen.
- Du verurteilst dich nicht für diese Gedanken.
Die Folge oder vielmehr das Ende dieses Prozesses? Du handelst und verhältst dich anders. Du bist deinen unbewussten Gedanken nicht mehr ausgeliefert. So verstehe ich persönliche Entwicklung. So verstehe ich Transformation.