Beim Wandern kannst du Achtsamkeit sehr gut üben. Hier zeige ich dir fünf Übungen, wie du die von äußeren Reizen weitgehend unbelastete Natur nutzen kannst, um mehr im Moment und gegenwärtig zu sein.
Eine Wanderung ist wie ein kleiner Urlaub. Raus aus dem Alltag und rein in eine von äußeren Reizen weitgehend unbeeinflusste Natur. Doch oft packen wir unsere Gedanken über die Vergangenheit oder Zukunft mit in den Rucksack – und nehmen so die Natur um uns herum kaum mehr bewusst wahr. Wir verpassen den Moment.
Um auch im Alltag mehr im Moment und gegenwärtig zu sein, kannst du Achtsamkeit gut beim Wandern üben. Dabei kannst du nicht nur die Natur bewusst wahrnehmen, sondern auch das, was dabei in dir selbst passiert. Wenn du wanderst, begegnest du nämlich nicht nur anderen, sondern vor allem auch dir selbst.
Übung 1: In der Natur bei sich sein
Suche dir einen Platz in der Natur, an dem du ungestört sitzen oder stehen und Achtsamkeit üben kannst. Achte dabei auf festen Kontakt der Füße mit dem Boden. Schließe die Augen und komme im aktuellen Moment an, indem du bewusst auf deinen Atem achtest. Ohne Anstrengung. Jetzt beobachte, was du mit deinen Sinnen wahrnehmen kannst, wie Geräusche, Gerüche, den Wind auf der Haut, die Wärme der Sonne usw. Nun nimm auftauchende Gedanken, Empfindungen und Gefühle wahr. Nur beobachten, nicht bewerten. Nach einer Weile öffnest du die Augen und kommst wieder in der Natur um dich herum an.
Lernerfahrung: Mit dieser Übung gehen wir in Resonanz zur Natur und erleben uns als ein Teil von ihr. Eine Erfahrung, die wir in der Hektik des Alltags in der Regel nicht machen.
Übung 2: Der Weg ist das Ziel: Aufs eigene Gehen achten
Beim Wandern gehen wir von A nach B. Während wir gehen, denken wir oft schon an das Ziel, das uns erwartet. Zum Beispiel ein Gipfel oder eine Hütte für die Einkehr. Oder wir denken an alles Mögliche, das entweder schon vorbei ist oder in der Zukunft liegt. Wir sind mit den Gedanken also ganz woanders, nur nicht beim Gehen, im Hier und Jetzt.
Den Prozess des Gehens kannst du nutzen, um zu beobachten, was dabei geschieht. Dafür reduzierst du das Gehtempo und achtest bewusst auf das Aufsetzen und Anheben der Füße.
- Wie sieht die Bewegung aus?
- Welche Muskeln sind im Spiel?
- Wie fühlt sich der Boden unter deinen Füßen an?
Beim Kontakt mit dem Boden achtest du auf Unebenheiten, wie Wurzeln oder Steine, und nimmst wahr, wie du dein Gehen automatisch daran anpasst. Diese Übung lässt sich erweitern, indem du beim Gehen auf die Umgebung achtest: Was kannst du wahrnehmen? Zum Beispiel Geräusche oder Gerüche, die für diese Landschaft besonders typisch sind. Die Erfahrung bei dieser Übung wird umso intensiver, wenn du die Wanderstiefel ausziehst und eine kurze Strecke barfuß gehst.
Lernerfahrung: Beim „Auf-dem-Weg-sein” kannst du bewusst darauf achten, was gerade passiert und so deine Aufmerksamkeit und Konzentration schulen.
Übung 3: Achtsamkeit üben und den eigenen Horizont erweitern
Für diese Übung suchst du dir einen Platz, von dem du weit in die Ferne bis zum Horizont sehen kannst. Du stellst dich aufrecht hin und senkst den Kopf Richtung Boden. Dabei fokussierst du mit den Augen das Blickfeld vor deinen Füßen. Jetzt hebst du langsam den Kopf an und achtest darauf, was geschieht, während dein Blickfeld immer weiter wird. Wenn der Kopf oben ist und die Augen den Horizont sehen, hältst du inne und beobachtest, was du wahrnimmst.
- Wie fühlt sich diese Weite an im Vergleich zum engen Fokus zu Beginn?
- Tauchen bestimmte Gedanken oder Empfindungen auf?
Lernerfahrung: Oft sind wir gedanklich auf eine Sache fixiert und nehmen andere Möglichkeiten gar nicht mehr wahr. Unser Blickfeld ist im wahrsten Sinne des Wortes eingeschränkt. Machen wir uns „weit” und öffnen uns, können wir plötzlich ganz andere Möglichkeiten und Lösungen sehen.
Übung 4: Auf den zweiten Blick sieht sich’s besser
Suche dir ein Naturobjekt aus, etwa einen Baum, eine Wiese, einen Stein oder eine ganze Landschaft und betrachte es für rund zehn Sekunden. Schließe die Augen und betrachte das Objekt vor deinem inneren Auge noch einmal. Was siehst du jetzt? Bestimmte Farben, Formen oder Details?
Nach ein paar Sekunden öffne die Augen und schaue das Objekt in natura noch einmal an. Präge dir weitere Details ein. Du vergleichst immer wieder inneres und äußeres Bild und beobachtest, was deine Aufmerksamkeit erregt und wie sich vielleicht deine Reaktion verändert.
Lernerfahrung: Wir sind motiviert, die Natur genauer wahrzunehmen. Unsere Wahrnehmung intensiviert sich. Vieles erschließt sich so erst auf den zweiten Blick.
Übung 5: Vertraute (Wander-)Wege immer wieder neu entdecken
Auch ein Wanderweg, den du schon kennst, kannst du immer wieder neu entdecken. Zwar ist der Weg von der Strecke her der gleiche. Mit Aufmerksamkeit und Neugierde jedoch wirst du viele neue Eindrücke bekommen, die du vielleicht noch nicht bewusst wahrgenommen hast.
Gehe den Weg etwa einmal bei Sonnenschein und einmal im Regen: Wie sieht die saftig grüne Wiese aus, wenn sie nass ist? Hat sich mit dem Wetter vielleicht auch der Gesang der Vögel verändert? Oder du betrachtest einen Baum, an dem du schon mehrere Male vorbeigegangen bist. So, als ob du ihn noch nie gesehen hättest. Achte zum Beispiel auf die Struktur der Rinde, ein Pilz auf dem Stamm, Insekten, die nach oben klettern oder das Rauschen der Blätter in der Baumkrone.
Lernerfahrung: Nichts ist immer gleich. Wenn wir aufmerksam und neugierig bleiben, können wir auch im Vertrauten immer wieder Neues wahrnehmen.
Auf meinen geführten Wanderungen leite ich diese und andere Übungen sowie Meditationen zur Achtsamkeit an.