Jede Krise ist eine Lernerfahrung. Eine Voraussetzung dafür ist Akzeptanz. Achtsamkeit kann helfen, die Dinge leichter zu akzeptieren, die sowieso nicht zu ändern sind. Mit diesem Loslassen ergeben sich neue Möglichkeiten.
Vieles ist momentan anders. Wir befinden uns in einer ganz besonderen Zeit. Einer Zeit der Unsicherheit, der Angst. Einer Zeit, in der wir das Gefühl bekommen, ein Stück weit die Kontrolle über unser Leben zu verlieren. Wir wollen nicht wahrhaben und akzeptieren, dass die Dinge so sind, wie sie gerade sind. Die Haltung der Achtsamkeit kann helfen, Akzeptanz zu praktizieren und besser loslassen zu können.
Das sogenannte Corona-Virus, das sich von Asien aus in rasendem Tempo ausbreitete und derzeit nahezu die ganze Welt fest im Griff hat, bestimmt unseren Alltag. Um uns Bürger vor der weiteren Verbreitung zu schützen, erlassen die Regierungen drastische Maßnahmen, die das öffentliche Leben stark einschränken. Schließlich vermehrt sich das Virus in seiner ganz eigenen exponenziellen Art und Weise. Das öffentliche Leben findet momentan so gut wie nicht mehr statt. Wir dürfen unser Haus, unsere Wohnung nur noch eingeschränkt für ganz bestimmte Fälle verlassen. Das ist, was derzeit ist.
In dieser Situation lohnt sich ein Blick darauf, wie Achtsamkeit die Akzeptanz von Dingen und Situationen unterstützt, die nun mal so sind, wie sie sind.
Aus Krisen können wir gestärkt hervorgehen
In Tagen wie diesen erlebst du dich vielleicht nicht mehr als soziales, sondern eher als isoliertes Wesen. Lieb gewonnene Freiheiten, die prägend sind für unsere Gesellschaft, musst du, zumindest für eine Zeit lang, aufgeben. Hinzu kommt die Angst, du könntest selbst das Virus in dir tragen. So gesehen wird die – gesamtgesellschaftliche – Krise in diesen und den folgenden Wochen für dich möglicherweise zu einer persönlichen Krise der Überforderung, Unsicherheit und vielleicht sogar Angst. Doch in jeder Krise steckt auch eine Chance. „Schwierige Zeiten lassen uns Entschlossenheit und innere Stärke entwickeln“, hat der Dalai Lama einmal gesagt.
Durch eine Krisenerfahrung lernen wir, können wir wachsen. In der Psychologie spricht man auch von Resilienz, der Fähigkeit, auf veränderte Lebenssituationen und neue Anforderungen so zu reagieren, dass die Situation keine negativen psychischen Folgen für uns hat. Wichtig dabei sind unsere Gedanken und Gefühle. Wie denkst du über etwas? Welchen Zugang hast du zu deinen Gefühlen? Charakter und Persönlichkeit haben einen Einfluss auf deine Resilienz, aber auch deine innere Haltung zum Leben.
Achtsamkeit und Akzeptanz als Schlüssel zur Veränderung
Ein zentraler Aspekt von Achtsamkeit ist Akzeptanz. Lapidar gesagt geht es darum, zu akzeptieren, was sich gerade ereignet, was gerade ist. Anstatt aktiv etwas zu tun, begreifst du lediglich, dass bestimmte Dinge geschehen oder auch nicht geschehen. Damit du mich nicht falsch verstehst: Ich meine damit natürlich nicht, man solle nichts gegen das Corona-Virus tun. Das wäre fatal. Wir alle tun ja bereits mehr oder weniger aktiv etwas gegen seine weitere Verbreitung: Die Regierung erlässt Anordnungen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und wir halten uns (hoffentlich) an die Regeln und vermeiden es, uns in größeren Gruppen zu treffen. Die vielen fleißigen Krankenschwestern, Ärzte und Pflegekräfte arbeiten bis an ihre Schmerzgrenze, um betroffenen Patienten zu helfen. Das ist aktives Tun, und das ist wichtig und richtig.
In diesem Artikel möchte ich vielmehr zeigen, warum es so wichtig für dich selbst ist, wie du persönlich mit dieser Situation umgehst. Und vor allem: Wie du darüber denkst! Vielleicht kommen angesichts der außergewöhnlichen Lage Gefühle der Langeweile, der Sinnlosigkeit, Isolation, Unsicherheit oder Angst bei dir hoch. Kannst du die Situation trotzdem akzeptieren? Kannst du wirklich akzeptieren, dich für unbestimmte Zeit hauptsächlich in deinen eigenen vier Wänden aufhalten zu müssen? Ist es für dich akzeptabel, nur noch eingeschränkt nach draußen zu gehen, deine Kinder selbst zu unterrichten, dich nicht mit mehreren Freunden treffen und nicht mehr ins Kino, Theater oder ins Restaurant gehen zu können? Es geht also um deine eigene Akzeptanz dessen, was gerade ist – und dass du daran nichts ändern kannst!
Die Möglichkeiten statt den Mangel sehen
Wenn du bereit bist, eine nicht änderbare Situation so zu akzeptieren, wie sie ist, werden plötzlich viele Dinge möglich. Ich will dir ein Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung geben, die ich gerade mache: Wie alle meine Kolleginnen und Kollegen arbeite auch ich derzeit im Homeoffice. Eine für mich ungewohnte Situation, denn ich habe bislang noch nie für einen Arbeitgeber von zu Hause aus gearbeitet. Ich besitze auch keinen eigenen Schreibtisch oder Schreibtischstuhl, wo ich es mir bequem machen könnte. Stattdessen sitze ich zumeist auf meiner Couch und arbeite von dort, manchmal auch am Esstisch. Klar, es ist nicht gerade die optimale Bequemlichkeit, aber es geht. Zumal ich einige andere mögliche Sitzpositionen noch gar nicht ausprobiert habe. Da ist also noch Luft nach oben.
Ich versuche die Sache sportlich zu nehmen und in Möglichkeiten zu denken, statt daran, was mir zum ergonomischen Arbeiten alles fehlt. Ich kann mir in der Mittagspause etwas Frisches kochen, ich kann eine Runde durch die Stadt spazieren, Yoga machen oder ein kleines Nickerchen. Was darüber hinaus sehr positiv ist, ist die Tatsache, dass ich mich virtuell mit meinen Kolleginnen und Kollegen über Chat oder Video austauschen kann. So kann ich sie wenigstens auf dem Bildschirm sehen und wir können sprechen, als ob wir uns gegenübersitzen. Seit ein paar Tagen gibt es sogar ein eigenes virtuelles Café, in dem wir uns spontan „treffen“ und über alles Mögliche palavern.
All das ist möglich. Es sind meine eigenen Gedanken, die darüber entscheiden, ob ich einen Umstand als mangelhaft, als belastend oder bereichernd empfinde. So ist es immer im Leben, es braucht dazu nicht extra eine Krise.
Warum „Problem“ eigentlich ein Unwort ist
Nun sind wir in einer Welt aufgewachsen, in der der Glaube vorherrscht, alles ließe sich irgendwie lösen. Unsere mentalen Voraussetzungen für Akzeptanz sind somit nicht gerade die besten. Die Realität anzunehmen, so wie sie ist, etwas anzuerkennen, was wir nicht verändern können, damit tun wir uns in der Regel schwer. Wir haben wenig Erfahrung damit. Stattdessen versuchen wir uns permanent vor unangenehmen Situationen und den dabei aufkommenden unangenehmen Gefühlen zu schützen. Wir gehen diese Gefühle wie ein zu lösendes Problem an, mit dem Kopf, dem Verstand. Der Trugschluss dabei ist, dass wir uns damit unseren Gefühlen verweigern. Wir lassen sie weder zu noch erlauben wir uns, sie zu fühlen. Eher nehmen wir sie als Problem wahr, das beseitigt werden muss.
Doch wenn wir dann feststellen, dass es eine unveränderbare Situation ist, die diese Gefühle auslöst, befinden wir uns in einer Sackgasse. Wir können die Situation ja nicht „wegdenken“. Sätze wie, „Mach dir keinen Kopf!“, die Mental- und Emotionalkörper, also Gedanken und Gefühle in einen Topf werfen, helfen deshalb nicht weiter. Was zu mehr innerem Frieden führt, ist die Akzeptanz der Situation, während du gleichzeitig deine aufkommenden Gefühle wahrnimmst und dir erlaubst, sie zu fühlen.
Das Wort „Problem“ ist zu einem gesellschaftsfähigen Begriff geworden, der in allen möglichen Kontexten bemüht wird. Fühlen wir uns nicht wohl, haben wir ein Problem. Ist eine Situation für uns unangenehm, ist das eine problematische Situation. Bekommen wir keine Anerkennung vom Chef, ist das ein Problem. Will der Partner nicht so, wie wir wollen, ist auch das ein Problem. Was wir dann wollen? Das „Problem“ so schnell wie möglich weghaben. „Das Problem ist, dass …“. Wie oft hörst du diesen Satz während des Tages?
Loslassen von Kontrolle führt zu mehr Akzeptanz
Ich bin überzeugt, dass dieser Begriff etwas mit uns macht, wenn wir ihn den ganzen Tag über mehrmals hören. Irgendwann glaubt man unbewusst, es gäbe überall Probleme. Da hilft auch die beliebte Redewendung „Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen“ nicht viel. Im Prinzip ist das Wortklauberei. Ich kann „Problem“ zwar durch „Herausforderung“ ersetzen, doch die Haltung zu den Dingen bleibt die gleiche. Dann habe ich jetzt statt Problemen eben Herausforderungen. Klingt ziemlich anstrengend, oder? Wenn wir die (eingebildete) Gewissheit haben, zu jeder Zeit etwas ändern zu können, was uns nicht gefällt, bekommen wir ein Gefühl der Kontrolle. Und wer kontrollieren kann, ist mächtig. In dem Moment, in dem Kontrolle wegbricht, entsteht Ohnmacht. Ein Gefühl, fremdbestimmt und nicht mehr unser eigener Herr zu sein.
Das ist, was die Corona-Krise gerade in uns auslöst. Wir erleben eine extrem ungewohnte Situation der Einschränkung unserer persönlichen Freiheit, die wir doch – zu Recht – so schätzen. Welche Gedanken und Gefühle kommen angesichts dieser von dir selbst unveränderbaren Lage bei dir hoch? Gefühle des Ausgeliefertseins, der Überforderung, der Hilflosigkeit, des Alleinseins? Das ist völlig normal. Belastend werden sie für dich erst dann, wenn du versuchst, sie wegzuschieben, wenn du meinst, sie sollten nicht da sein. Und sie wären ja nur dann nicht da, wenn die Situation nicht da wäre, wenn es stattdessen eine andere wäre. Aber „wäre“ und „hätte“ helfen nunmal nicht weiter.
Was dich weiterbringt, ist ein Loslassen des Gedankens, etwas kontrollieren zu wollen. Wenn du dir klar machst, dass das Leben dir auch Grenzen setzt, die du akzeptieren musst, die du nicht zu deinen Gunsten verschieben kannst, gewinnst du ein Stück Freiheit. Jedes Mal, wenn du dich wegen etwas grämst oder beklagst, weil du es im Grunde nicht akzeptierst, wirst du feststellen, dass es dir nicht gut damit geht. Werde dir stattdessen bewusst, dass es deine Gedanken sind, die etwas als schwierig, belastend oder nicht aushaltbar erscheinen lassen. In Wirklichkeit ist es in den allermeisten Fällen aushaltbar. Oder zweifelst du wirklich daran, mehrere Wochen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit nicht überleben zu können?
Darauf vertrauen, dass die Dinge sich entwickeln
Was könnte man nicht alles nicht akzeptieren? In Zeiten wie diesen wissen plötzlich viele, was richtig und falsch ist. Auf Facebook lese ich zum Beispiel regelmäßig, dass unsere Regierung zu lasch mit der Corona-Krise umgehen würde. Sie hätte viel früher drastischere Maßnahmen ergreifen sollen. „Hätte…sollen“ ist eine beliebte Floskel, die jemand verwendet, wenn er oder sie meint, es besser zu wissen. Worin dieses Besserwissen aber besteht, ist oft nicht klar. Vielmehr erschöpft es sich in vielen Fällen als Behauptung.
Denken und argumentieren im Konjunktiv kommt oft dann ins Spiel, wenn man etwas nur schwer oder gar nicht akzeptiert. Das Nicht-Akzeptieren-Wollen eines unveränderbaren Zustands aber speist sich aus der Einsicht, keine Kontrolle über etwas zu haben. Dieses Bewusstsein löst Unsicherheit oder Angst aus. Wenn du stattdessen versuchst weniger zu kontrollieren, die Kontrolle über das aufzugeben, was du sowieso nicht ändern kannst, sparst du Kraft und Energie. Du machst es dir dann nicht zu eigen, sondern vertraust darauf, dass die Dinge sich entwickeln. Wie drückte es der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel einmal aus: „Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“
Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du wohlbehalten durch diese Krise kommst und gesund bleibst.
Hallo David, das it so wundervoll geschrieben und hilft mir tatsächlich vieles einfach mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Du hilfst mir sehr. E ist so schön dich rund dein wanderful Time zu kennen . DANKE ???? komm auch du gut durch die Zeit und bleibe gesund ????
Liebe Andrea,
vielen Dank. Das freut mich sehr, dass dich der Artikel anspricht. 🙂 Ich hoffe, wir schaffen das mit unserer Tour Ende Juni. Bin guten Mutes, dass sich die Lage bis dahin weitgehend entspannt hat. Bleib du auch gesund und passt auf dich auf!
Bis ganz bald, liebe Grüße!
David
Schönen guten Tag David,
ich bin durch Zufall auf Deine Seite gestoßen, weil ich eine Meditationsanleitung suchte.
Vielen Dank für diese Sichtweise und für diesen Text.
Hallo Björn,
vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir der Blogbeitrag gefällt. 🙂
Herzliche Grüße!
David